Ringlein, Ringlein, du musst wandern, von dem einen Ort zum andern. Das ist hübsch, das ist schön. Lasst das Ringlein nur nicht seh’n.
Der Schöpfer dieses kleinen Kinderliedes hat sicher nicht an Vogelberingung gedacht, aber, wenn man den Text anders interpretiert, findet man viele Gleichnisse. Denn ein Grund der Vogelberingung ist es, die Wanderrouten der Vögel besser zu verstehen, andererseits kann das Ablesen der Ringe bei einem Vogel zu einer Geduldprobe werden, denn oft sind die Ringe durch das Gefieder verdeckt.

Beringung Eisvogel
Lasst uns von vorn beginnen. Alljährlich werden in Europa rund vier Millionen Vögel beringt. “Der Herr der Ringe” in Norddeutschland ist zum einen die Vogelwarte Helgoland mit jährlich etwa 100.000 Ringen und zum anderen die Beringungszentrale Hiddensee ‒ dort werden die Ringe ausgegeben und verwaltet.

Beringung pro Jahr der Beringungszentrale Hiddensee
Die Ringe werden dann von unzähligen ehrenamtlichen Beringern den Jungvögeln im Nest oder eingefangenen Vögeln sorgsam angelegt. Ein Beispiel von der Vogelschutzinsel Langenwerder:
Da die Insel gern als Rastplatz auf dem Zug von Skandinavien nach Afrika aufgesucht wird, kann dort ein einzelner Beringer mit seinen Helfern in einer Herbstzugsaison schon mal neben anderen Vogelarten 700 bis 1000 Alpenstrandläufer beringen.
Die Ringe dienen dann der Grundlagenforschung, dem Arten- und Biotopschutz, der Kontrolle von ziehenden und lokalen Vogelbeständen und natürlich zur Erforschung von Zugwegen.
Die Ringe können je nach Vogelart aus Aluminium, Plastik, Stahl, oder Alloy (nichtrostender Sonderstahl) bestehen. Alloy findet oft Anwendung bei Greifvögeln, Stahl bei Wasservögeln und Möwen, Plastik nutzt man als Spezialkennring für Kraniche und Störche. Dasselbe gilt für Aluminium, das für Sonderprogramme genutzt wird.

beringte Schleiereule
So, das zur Theorie, aber nehmen wir Euch einfach mal zu einer Adlerberingung mit. Nach dem der Horst mit Einbruch des Winters vom Beringer oder seinen Horstbetreuern kontrolliert wird (Wurde der Horst gepflegt und aufgebaut, ist das Revierpaar in Horstnähe?), kann man Ende Februar auf einen Brutbeginn hoffen.

Bei Erfolg schlüpfen dann die Jungen Adler 38 Tage später. Etwa einen weiteren Monat später haben sie dann ein Alter erreicht, in dem sie beringt werden können.

Nestlinge vor der Beringung
Ein professioneller Baumkletterer und Vogelkenner begibt sich dann auf den mühseligen Weg zu den oft in 10‒40 m Höhe liegenden Horsten. Dort muss er die Jungadler sicher und geübt einfangen, um sie in einem geeigneten Sack zu Boden zu lassen.
Hier werden die Vögel dann gewogen, vermessen und zu guter Letzt das Geschlecht bestimmt, ehe sie ihren Ring fürs Leben bekommen. Danach geht’s wieder in den Sack, diesmal nach oben. Und mit dem guten Wunsch, dass die Vögel hoffentlich das letzte Mal in Menschenhand waren, kommen sie wieder in ihre gewohnte Umgebung. Schon kurz nach der Störung kann man aus etwa 1 km Entfernung vom Horst mit einem Spektiv beobachten, wie die Altvögel, die, beim Annähern der Beringer vom Horst abgeflogen sind, zurückkehren und sich wieder liebevoll um Ihre Schützlinge kümmern.

sehr junger Adler nach der Beringung
Der NDR hat sich übrigens mit einem Team unter, dem für seine akribisch recherchierten Dokumentationen bekannt gewordenen Regisseur, Thomas Balzer aufgemacht, ein ganzes Adlerjahr zu dokumentieren. Der Film wird im Winterhalbjahr erscheinen und auch in der Mediathek zu finden sein. Infos: auf unserer Seite.

Der Adler wird gewogen, bevor er wieder in den Horst kommt.
Warum, werden sich jetzt viele unserer Leser fragen, haben wir uns in diesem Artikel einem so spezialisierten Spartenthema zugewandt. Ganz einfach, wir möchten Euch einladen, uns nach Euren Möglichkeiten zu unterstützen.
Alle Naturfotografen könnten auf Ihren Aufnahmen zufällig fotografierte Ringe ablesen. Alle Naturfreunde, die Kraniche oder Störche sehen, können die auffälligen Farbringe oft sogar mit bloßem Auge erkennen. Und wer mit einem Fernglas unterwegs ist, hat eine gute Chance, Ringe deutlich abzulesen. Auch Totfunde in der Natur beim Ostseespaziergang oder in der unmittelbaren Nähe von Windkraftanlagen helfen Ornithologen in ihrer wissenschaftlichen Auswertung weiter.
Benötigt werden die Ringfarben (in der richtigen Reihenfolge und an welchem Bein) bzw. -Nummern sowie die möglichst genauen Geo-Daten vom Fundort.
Belohnt wird man z.B. beim Kranichportal Icora mit dem Lebenslauf des Vogels.
Wer Vögel liebt, kann auch als Beringungshelfer mitmachen oder sich gar zum Beringer ausbilden lassen. Wer nur beobachten möchte, kann sich als Horstbetreuer engagieren.
Ihr seht, es gibt viele Möglichkeiten ehrenamtlich zum Schutz der Vögel beizutragen. Wer Interesse hat, kann uns jederzeit kontaktieren.

Erste Kranichbegegnung 2014
Ein Beispiel: Wir haben bei einem Frühjahrsspaziergang am 29.03.2014 einen beringten Kranich gesehen, ihn gemeldet, und dann gelernt, dass die junge Dame in Mecklenburg beringt wurde, 4 Jahre alt war und in der Zwischenzeit bereits England und Spanien besucht hatte. Seitdem haben wir den Vogel noch zwei Mal: am 05.03.2023 und am 01.03.2024 wiedergesehen, und natürlich erneut gemeldet.

Kranichweibchen 2023
Erstaunlich für uns war, dass der Kranich nur 10 Tage zuvor noch in Spanien (Aragon, Las Cuerlas) gemeldet wurde. 2000 km in so einer kurzen Zeit! Was für eine Leistung!

Kranichweibchen 2024
Noch spektakulärer war die Ringablesung im Jahr 2016 bei einem Austernfischer (siehe Foto unten). Der weiße Fußring trug die Aufschrift M8. Laut Beringungszentrale Hiddensee wurde dieser Vogel am 27. Juli 1981 beringt. Zu diesem Zeitpunkt wurde er bereits als Altvogel bestimmt, somit war der Vogel zum Zeitpunkt des Fotos mindestens 36 Jahre alt. Das Durchschnittsalter von Austernfischern beträgt 14 bis 15 Jahre. In Gefangenschaft können die Vögel auch mal 25- 30 Jahre alt werden. Also handelt es sich bei unserem Vogel um einen Methusalem seiner Art. Wer hat ihn verraten? Der Ring!

Austernfischer und Mittelsäger
Und jetzt ab in die Natur und Ringe ablesen!
Hier noch Ein paar Links:
Ringablesungen bei Kranichen: https://www.icora.de
Beringungszentrale Hiddensee: https://www.beringungszentrale-hiddensee.de/ringfundmeldung/
Beringungszentrale Helgoland: https://ifv-vogelwarte.de/markierungszentrale