Zur Falschen Zeit am richtigen Ort ‒ Meerblick inklusive!
Den Zeitpunkt des Urlaubs können sich die meisten nicht immer aussuchen, so ging es auch uns. Im Mitte Juli bis August nach Norden um Vögel zu beobachten; was soll das denn? Viele Vögel bereits wieder auf dem Zug! Das ist doch kein Licht zum Fotografieren! Um die Zeit gibt es da nur Mücken! Zu unserem Glück bestätigte sich nur eine Prophezeiung, es gab Mücken.
Schon auf unserem Weg an der Westküste Finnlands hinauf konnten wir unsere Artenliste täglich um ca. 10 Vögel erweitern. Das wichtigste Ziel Oulu und seine unendlichen Schilfgebiete bescherte uns dann bereits am ersten Tag Reiherentenfamilien, Kraniche, Thunbergschafstelzen (die nördlichste Unterart der Schafstelze), Bekassinen und einen kapitalen Elch mitten im Schilf.
Die Schilfgebiete sind von den finnischen Naturschützern gut ausgebaut und gepflegt, schmale Bretterwege führen den Beobachter zu den unterschiedlichsten Vogeltürmen. Doch Achtung! Ein Ausflug im Ende Juli zur morgendlichen Stunde ist kein Spaziergang, man braucht schon Wasserfeste Kleidung, wenn man den Morgentau vom teilweise über dem Weg wuchernden Schilf widerstehen möchte. Unser anschließender Kurzausflug auf die vorgelagerte Insel Hailuoto mit seiner prächtigen Wasservogelwelt ließ all unsere Sorgen bereits zu diesem Zeitpunkt vergehen…
Die nächste Station auf unserer Reise sollte das Gebiet rund um den Inarisee werden. Auf dem Weg über Rovaniemi ‒ Sodankylä nach Ivalo wurden wir durch mehrere Vogeltürme und ein Naturschutzgebiet immer wieder zum Halten verführt. Auch hier überraschte uns jedes Mal ein enormer Artenreichtum, und wenn es in der Vogelwelt mal etwas stiller war, erfreuten wir uns an seltene Schmetterlingsarten Flechten und die vielfältige Pflanzenwelt der Moore.
Der Inarisee, der größte nordfinnische See, würde selbst aus dem Auto auf der E75 als landschaftliche Kulisse im schönsten Sommerlicht die Reise wert sein. Wer jedoch an den unzähligen Parkbuchten hält und einen kleinen Spaziergang zum Wasser macht, wird permanent mit Beobachtungen belohnt. Rentiere die einem, genau wie die Eichhörnchen, beständig über den Weg laufen. Hier ein Trupp Kampfläufer, da eine Schellente mit Jungen, aber auch Birkenzeisige und Bergfinken im schönsten Prachtkleid, Kiefernkreuzschnäbel und Unglückshäher begegnen uns am Ufer und in den umliegenden Wäldern zum Greifen nah……
Vom Naturerlebnis Inarisee ist es nur noch ein Katzensprung auf die Varangerhalbinsel im Nordosten von Norwegen. Vorbei am Tana-Fluss, in Nesseby (an der Eismeerküste) erwartete uns bereits der im Voraus gebuchte norwegische Guide. Es ist nicht nur zeitsparend, sondern in erster Linie erfüllend, sein Wissen an der Seite eines studierten Ornithologen zu vervollständigen. Innerhalb eines Tages führe unser Guide uns zu den Wat-und Wasservögeln im Varangerfjord und vermochte es sogar noch uns in die Vogelwelt der Tundra einzuführen….
Die nächste Etappe unserer Reise führte uns nach Ekkerøya, einer kleinen Halbinsel im Varagerfjord. Den schönsten Ausblick findet man im Osten auf einer etwa 60 m hohen Klippe, die als Brutfelsen von Dreizehenmöwen bekannt geworden ist. Es fällt schwer einen anderen Ort zu benennen, an dem man diesen freundlichen und geradezu lieblich anmutenden Möwen so nahe sein darf. Ob in luftiger Höhe oder vom Strand aus, es gab unendlich viele Möglichkeiten der Beobachtung. Leider mussten wir feststellen, dass besonders die Jungtiere zu den beliebtesten Beutetieren von See- und Steinadlern sowie Gehrfalken und Mantelmöwen gehören. 5‒8 Jagdszenen an einem Vormittag sind keine Seltenheit ‒ wobei der bis zu 5 Minuten dauernde Kampf zwischen Mantelmöwe und der Dreizehenmöwe, bei dem die Mantelmöwe versucht ihr Opfer qualvoll zu ertränken, die wahrscheinlich unerträglichste Beobachtung auf unserer Reise war.
Anfang August verlassen die Wissenschaftler die Insel Hornøya, weil die meisten Wasservögel nach Bruterfolgen zurück aufs Meer ziehen. Dann ergeben sich für Zufallsgäste wie uns die besten Chancen im Leuchtturm der Insel zu übernachten ‒ der vorher vor allem den Forschern vorbehalten ist. Dann hat man Hornøya beinahe für sich. Wir teilten die Insel mit unzähligen Wasservögeln, Weißwangengänsen, Robben, einem Arte-Filmer aus Frankreich und einem Makrofotografen aus der Schweiz. Nach einem aufregendem Fototag fand man sich abends bei einem guten Glas Wein und tauschte Erfahrungen und Beobachtungsorte aus, während draußen der heftige Nordwind einen Vorgeschmack für das harte Wissenschaftlerleben im Frühjahr auf der Insel lieferte. Nebenbei entwickelte sich für uns eine wunderschöne Freundschaft mit dem Schweizer Fotografen Robert, die dem Laufe unserer Reise noch abenteuerliche Akzente setzen sollte.
Jedem Reisenden, der sich so weit in den Nordosten vorgekämpft hat, können wir nur empfehlen, auch noch die schmale Straße entlang einer unwirklichen Steinlandschaft Richtung Hamningberg zu fahren. Vorbei an Seen, in denen Sterntaucher brüten, entlang der Krüppelbirken wo das Blaukehlchen seine Jungen füttert bis hin in das entlegene Fischerdorf Hamningberg, das auf seiner Westseite einen freien Campingplatz hat. Man wird nicht nur mit einem Hauch von Einsamkeit sondern auch mit einem wunderschönen Blick Richtung Syltefjord belohnt. Unser erstes Erlebnis war ein junger Steinadler, der es wahrscheinlich auf eine große Gruppe Mausernder Mittelsäger abgesehen hatte, gefolgt von einem Rotfuchs am Eismeerstrand, der, wie wir später in Erfahrung bringen konnten, dabei ist den Polarfuchs in seinem ureigenen Habitat zu verdrängen. Tags zuvor gab es sogar eine Schneeeulensichtung. Wir sahen sie leider trotz großer Bemühungen nicht. Kein Wunder, denn das scheue Tier ist in schlechten Lemmingjahren wie diesen ohnehin nur schwer Anzutreffen.